Bye-bye Switzerland

Mister Novartis kehrt der Schweiz den Rücken. Er geht nach Amerika.

Von Peter Hossli

Zuerst waren es Gerüchte. Daniel Vasella (59) verlasse die Schweiz, hiess es aus Basel. Nach Monaco ziehe der einstige Novartis-Präsident. Wegen der tiefen Steuerlast im Fürstentum? Auffallend oft sei der Bündner mit dem Novartis-Jet nach Nizza geflogen, zum nahen Flughafen des Zwergstaats. Gar Möbelwagen will jemand vor seiner Villa gesehen haben.

Auf Monaco angesprochen, sagte ein Firmensprecher vor Wochenfrist: «Herr Vasella gibt keine Auskünfte über seine privaten Angelegenheiten, und Novartis ist hierzu nicht die richtige Ansprechpartnerin.»

Recherchen machen nun klar: Daniel Vasella hat sich in seiner bisherigen Wohngemeinde Risch ZG abgemeldet. Das bestätigt eine Person, die es weiss.

Nicht in den Süden Frankreichs zieht der Arzt und Topmanager. SonntagsBlick weiss von zuverlässiger Seite: «Vasella ist kürzlich nach Amerika ausgewandert.» Eine gut informierte Person sagt: in die USA. Ein Novartis-Sprecher sagte gestern: «Herr Vasella steht den Medien zurzeit nicht zur Verfügung.»

Überraschend ist der Abgang nicht. Es ist, als ob ein Geächteter seiner Heimat den Rücken zukehre, als hätte ihn ein ganzes Land verstossen. Die Schweiz ist für ihn un­gemütlich geworden. Links wie rechts, Arm wie Reich, am Stammtisch und auf Twitter: Alle Schweizer lästern über ihn.

«Daniel Vasella: Endlich weg», titelte das Wirtschaftsmagazin «Bilanz», als der Bündner den Rücktritt vom Präsidium des Novartis-Verwaltungsrats bekannt gab. Das war, bevor die Schweiz irritiert auf die Enthüllung rea­gierte, Vasella lasse sich ein sechsjähriges Konkurrenzverbot vergolden. 72 Millionen Franken, um nichts zu tun? Das passt weder Büezern noch Bankern.

Sogar Vasella begann zu hadern. Er spende die 72 Millionen, versuchte er den Aufschrei zuerst abzuwürgen. Verschwieg aber, wer die Almosen erhält. Als die Wohltat den Sturm der Entrüstung nicht legte, verzichtete er ganz auf den Geldsegen.

Genützt hat es wenig. Sein ohnehin angeschlagenes Image als von Gier getriebener Manager ist noch mieser geworden. Fortan gilt der kluge Kopf als wankelmütig. Einer, der erst ­eigennützig handelt und nur unter Druck nachdenkt. Selbst die ihm wohlgesinnte «Weltwoche» bezeichnete ihn als «oberflächlichen Egoisten» und sinnierte: «Vasella wollte einfach noch einmal richtig abkassieren.»

Befürworter der Minder-Ini­tiative stempelten ihn zum Über-Abzocker. Politexperten machten ihn verantwortlich für die 68 Prozent Ja bei der Abstimmung vom letzten Wochenende.

Wohl diese Ächtung trieb ihn weg. Ähnlich wie Ex-SNB-Präsident Philipp Hildebrand – er lebt in London – findet Vasella im selbst gewählten Exil Ruhe. Ex-Swissair-Präsident Mario Corti zog nach Boston (USA).

Erst «kürzlich» hat er sich in Risch abgemeldet. Dort war er 1999 hingezogen – unter der harschen Kritik, er verdiene viel Geld in Basel und profitiere von niedrigen Steuern im Kanton Zug.

Nun sagt Vasella Bye-bye und zahlt in der Schweiz privat keine Steuern mehr. Vielleicht aus Trotz, weil manche ihm das viele Geld missgönnen. Zwischen 200 und 300 Millionen Franken soll er verdient haben.

Risch verkraftet den Abgang. Die Gemeinde konnte in den letzten drei Jahren den ohnehin tiefen Steuerfuss weiter senken, von 67 Prozent im Jahr 2010 auf neu 63 Prozent. «Es ist immer schade, wenn jemand geht, der viel Steuern zahlt», sagt Hans Galliker, Leiter Finanzen/Con­trolling in Risch. Aber: «Unsere Einnahmen sind sehr breit abgestützt.» So reiht sich in Risch eine protzige Villa an die andere.

Dass es Vasella nach Amerika zieht, macht Sinn. Er ist ein eher amerikanischer Typ, betriebswirtschaftlich ausgebildet an der Harvard-Universität. Bei der Elite-Uni in Boston sitzt er im Beirat.

Er hat die beiden Schweizer Firmen Sandoz und Ciba-Geigy zur Novartis fusioniert – und sie zu einem amerikanischen Konzern gewandelt. Fast die Hälfte des Aktienkapitals, rund 46 Prozent, liegt heute in amerikanischen Händen. Der Amerikaner Joe Jimenez führt den Konzern, weltweit ist die Geschäftskultur amerikanisch geprägt, die Umgangssprache Englisch.

Vasella kennt und mag die USA, zwei seiner drei Kinder kamen dort zur Welt und erhielten bei der Geburt die US-Staatsbürgerschaft. Von 1988 bis 1992 arbeitete er bei Sandoz in den USA, wohnte im US-Bundesstaat New Jersey.

Seinen Managern empfahl er jeweils die Bücher des legendä­ren General-Electric-Chefs Jack Welch, ein Amerikaner. Jahrelang sass er in den Verwaltungsräten der US-Konzerne Pepsico und American Express.

Zurzeit weilt Vasella in Lateinamerika. Was er künftig tut, ist offen. «Alle, die mich kennen, wissen, dass ich nie zu arbeiten auf­höre», sagte er zur «Basler Zeitung». Ein Bekannter von ihm will wissen, dass er für die Beratungsfirma McKinsey einen neuen Bereich aufbaue. Zudem könne er sich «vorstellen», bei einem Uno-Organ als Berater zu wirken.

Seine Söhne studieren Me­dizin, seine Tochter schloss in Kunstgeschichte ab. Nach Amerika begleiten dürfte ihn Gat­tin Anne-Laurence. Vasella ver­traute der «Basler Zeitung» an: «Meine Frau ist sehr flexibel.»

Nachbar will Vasellas Traum-Projekt bodigen.