“Ich google meinen Namen nie”

Zeitungen liest er auf Papier, Fussball-Spiele schaut er am liebsten im Schweizer Fernsehen, den eigenen Namen will er nie googlen, ständig hat er über 100 Interview-Anfragen: Fifa-Präsident Sepp Blatter über seine Beziehung zu den Medien – und warum er auf der Tribüne seinen Sitznachbarn auf die Nerven geht.

Interview*: Peter Hossli

sepp_blatterHerr Blatter, wie informieren Sie sich?
Sepp Blatter: Wenn ich um 6 Uhr aufstehe, höre ich im Schweizer Radio die Nachrichten – auf Deutsch und Französisch. Dazu lese ich täglich Zeitung. Auch in Zürich erhalte ich mein Leibblatt, den «Walliser Boten».

Schauen Sie lieber fern, oder lesen Sie lieber?
Sowohl als auch.

Lesen Sie auf Papier oder digital?
Ich bevorzuge noch die traditionelle Weise, also auf Papier.

iPhone oder Blackberry?
Ich besitze ein Sony Smartphone.

Wie schützen Sie Ihre digitale Privatsphäre?
Ich habe alles mit Passwörtern geschützt, und ich arbeite nie im öffentlichen Raum.

Wie oft googeln Sie Ihren eigenen Namen?
Nie.

Wie gehen Sie damit um, dass Sie als Präsident einer globalen Organisation 24 Stunden angegangen werden?
Ich nehme mir meine Auszeiten. Ich fliege sehr viel. In dieser Zeit schalte ich ab. Kein Handy, kein Computer, nichts. Ich verzichte bewusst, während den Flügen zu arbeiten.

Welche Zeitung hat die beste Berichterstattung über Fussball?
International ist es «L’Equipe». In meiner Heimat der Schweiz ist es der Sportteil des «Blick».

Was lesen Sie in der Zeitung besonders gerne – abgesehen vom Sportteil?
Nachrichten aus der Welt, vor allem Politik.

Wie viele Interview-Anfragen haben Sie pro Woche?
Weiss ich nicht. Insgesamt stehen etwa 100 bis 120 Interviewanfragen auf der Short List. Schubweise baue ich sie ab, ohne je an eine Ende zu kommen.

Wie wählen Sie Ihre Gesprächspartner aus?
Das ist unterschiedlich. Wichtig sind: In welchem Land, in welcher Weltregion wäre jetzt ein Interview sinnvoll? Was ist die Kernbotschaft? Was ist das Zielpublikum? Über welches Medium erreichen wir dieses Publikum am besten? Das geschieht in Absprache mit der Kommunikationsabteilung. Aber ich muss eingestehen: Ich bin da nicht immer konsequent.

Welche Fragen hören Sie nicht gerne?
Fragen, die ich schon tausendmal beantwortet habe in den verschiedensten Zeitungen weltweit – aber trotzdem wieder gestellt werden, als hätte der Journalist gerade eine Erleuchtung gehabt.

Und über was können Sie stundenlang reden?
Fussball. Politik.

Wie reagieren Sie, wenn Ihr privates Leben in den Medien thematisiert wird?
Ich habe mich daran gewöhnt, und mir im Laufe der Jahre eine dicke Haut zugelegt.

Wie viele Länder übertragen wie viele Stunden Fussball-WM?
Vor vier Jahren sahen 3,2 Milliarden Leute ein WM-Spiel in ihrem Zuhause. Das entspricht 46 % der weltweiten Bevölkerung. Alle 64 WM-Spiele sahen kumuliert über 50 Milliarden Menschen. An der WM in Brasilien werden mehr als 200 Länder die Spiele live übertragen.

Wie viele Journalisten werden an der WM akkreditiert sein?
Es werden wohl rund 5000 schreibende Presse und Photographen sowie rund 13‘000 Vertreter von Radio und Fernsehen sein.

Was ist Fussball – Showbusiness? Oder ein News-Ereignis?
Mehr. Emotionen. Hoffnung. Alles.

Auf welchem Kanal schauen Sie am liebsten ein Fussball-Spiel?
Wenn ich Zuhause bin: im Schweizer Fernsehen.

Welche Sportart wird vom Fernsehen am attraktivsten übertragen?
Abgesehen von Fussballspielen: Ski-Abfahrtsrennen. Im TV werden sie sehr spektakulär aufbereitet. Das ist schon eindrücklich.

Wie könnte ein Fussballspiel medial noch attraktiver übertragen würden?
Die Qualität der Bilder wird immer besser, wir werden an der WM in Brasilien Spiele im Ultra-HD-Format mit 4K-Auflösung übertragen.

Schauen Sie Fussball lieber am Fernsehen oder im Stadion? Der Vorteil des TV-Spiels ist die Zeitlupe. Alles andere spricht für das Live-Spiel. Wenn ich im Stadion bin, kicke ich auf der Tribüne mit, schon mal zum Unmut meiner Sitznachbarn. Es ist ein Instinkt, wenn mein Bein plötzlich nach vorne schnellt im Augenblick wenn unten auf dem Platz der Spieler zum Torschuss ansetzt. Die Atmosphäre im Stadion ist fantastisch.

Ohne Publikum ist Fussball nichts. Über welche Medien schaffn Sie es, den Kontakt zu den Fans zu halten?
Am besten über meine wöchentliche Kolumne im «The Fifa Weekly». Auf Twitter folgen mir inzwischen über 500 000 Personen. Aber auch via Interviews, die ich regelmässig gebe. Am liebsten ist mir der direkte Kontakt zu den Fans. Wo immer ich hinreise, nehme ich mir Zeit, mit den Leuten auf der Strasse zu reden, im Stadion und im Hotel. Nicht in jedem Land bin ich gleich beliebt, aber trotzdem will mich jeder sprechen. Die grösste Fanpost-Gemeinde habe ich übrigens in Deutschland. Soll das mal jemand verstehen!

Sie präsidieren die Fifa seit 1998. Wie hat sich der Journalismus seither verändert?
Das Internet ist die zweite grosse Medienrevolution seit der Erfindung der Druckerpresse vor 500 Jahren. Seither ist nichts mehr wie zuvor. Allerdings: Am Grundsätzlichen hat sich nichts geändert. Guter Journalismus bedingt gute Köpfe.

Was ist guter Sportjournalismus?
Der Chefredakteur der «Zeit» hat einmal gesagt, dass es heute Mut brauche, nicht mit den Wölfen zu heulen. Da kann ich nur zustimmen. Heute wird vieles einfach kopiert, weil es der Mainstream so vorgibt. Sportjournalisten sind nicht weniger anfällig für das geistige «copy and paste» wie andere Journalisten.

Was braucht guter Journalismus?
Gute Köpfe! Fakten sammeln statt Meinungen widerkauen. Sich ein eigenes Bild machen von einer Person, einer Institution, einer Partei, was auch immer – all das bedingt viel Arbeit. Guter Journalismus heisst nämlich auch: viel Leiden, viel Knochenarbeit. Ein deutscher Literat hat einmal gesagt: einfach schreiben ist verdammt kompliziert.

Wie viele Personen arbeiten in Ihrer Medienabteilung?
Dreizehn. Davon arbeiten drei in einem temporären WM-Büro in Brasilien. Die Medienstelle kümmert sich sowohl um Medieninfrastruktur als auch um klassische Medienarbeit, also den täglichen Kontakt mit der Presse. Die Medienabteilung ist nur eine von fünf Abteilungen in der Kommunikationsdivision, die im Home of Fifa rund 60 Angestellte hat und noch ein paar Dutzend Freelancer in den wichtigsten Regionen der Welt.

Das Internet hat in den letzten zwanzig Jahren viele Branchen verändert. Wie hat es die Fifa verändert?
Indem wir uns vor allem in der Kommunikation den neuen Verhältnissen angepasst haben. Eine dieser fünf Abteilungen, von denen ich eben gesprochen habe, ist Digital, welches die grösste Abteilung der Kommunikation ist. Hier wird die Website fifa.com befeuert, Facebook, Youtube, Twitter – wird sind auf allen Social Media präsent. Seit kurzem auch mit einer App und dem Wochenmagazin «The Fifa Weekly», das als E-Paper konzipiert wurde und nur in limitierter Stückzahl von ca. 2500 Exemplaren gedruckt wird – in vier Sprachen allerdings. Zudem realisieren wir eigene audiovisuelle Beiträge.

Die Rechte an den Fussball-Spielen ist das wertvollste Gut der Fifa. Mittlerweile übertragen Piraten die Spiele online. Wie schützt sich die Fifa davor?
Unsere TV-Abteilung arbeitet mit Serviceprovidern zusammen, die sämtliche Plattformen weltweit beobachten und dann natürlich schauen auch die Rechteinhaber genau darauf, dass ihre Rechte gewahrt werden.

Letzte Frage: Welches ist Ihr Lieblings-Fussball-Journalist? Zu dessen Schutz – und meinem eigenen – halte ich seinen Namen geheim.

*Dieses Interview wurde schriftlich geführt.

Sepp Blatter kam am 10. März 1936 im Schweizer Kanton Wallis zu Welt. Seit 1998 ist Präsident des Weltfussballverbandes Fifa. Seine vierte Amtszeit dauert noch bis im Juni 2015. Der studierte Volkswirt ist seit 1975 bei der Fifa tätig. Zuvor arbeitete er für verschiedene Verbände – und war selbst einmal Journalist.