Schneider-Ammann spielt auf Sieg

Der Wirtschaftsminister besucht kurz vor der WM Brasilien. Er will den Handel mit dem Amazonas-Land ankurbeln.

Von Peter Hossli (Text) und Renzo Gostoli (Fotos)

schneider_maracana2Dichter Smog hängt über São Paulo. Eine Karawane von 15 Taxis ruckelt über die verstopfte Stadtautobahn. Darin sitzen 47 Schweizer Politiker, Wissenschaftler, Manager – und Bundesrat Johann Schneider-Ammann (61). Sie alle hoffen, in diesem Moloch rechtzeitig ihren Flug zu erwischen.

Es ist Donnerstag in der Früh. Wenig scheint zu klappen in Brasilien, zwei Monate vor Beginn der Fussball-WM. Und der Schweizer Tross um Schneider-Ammann hat soeben den Weiterflug nach Brasilia verpasst.

Der Staatsbesuch droht zu scheitern, bevor er richtig begonnen hat.

Doch die Brasilianer zeigten sich erfinderisch, fanden im Nu 47 Plätze in einem anderen Flieger nach Brasilia. 15 Taxis chauffieren die Delegation nun zu einem anderen Flughafen: rechtzeitig.

Schneider-Ammann fliegt Eco­nomy, kümmert sich selbst um sein Handgepäck, bevor er in die wartende Limousine steigt. Polizeitöffs eskortieren ihn ins Zentrum. Kein Termin fällt aus.

Von Brasilia reist er weiter nach Rio de Janeiro. In vier Tagen kommt es zu einem Dutzend Begegnungen mit Ministern, Managern und Wissenschaftlern. Er besucht Firmen und Museen, schläft direkt an der Copacabana.

schneider_maracanaGestern Samstag: Er betritt bei strahlendem Wetter den Rasen des famosen Maracanã-Stadions in Rio, in dem am 13. Juli das WM-Endspiel steigt. Er geniesst den Blick von den Zuschauerrängen, bestaunt die schicken Umziehkabinen. Um das Dach zusammenzuhalten, legte die Schweizer Firma Geobrugg 25 Kilometer Kabel. Wunderbar sei es, wenn Brasilianer und Schweizer «etwas so Schönes hinkriegen», sagt Schneider-Ammann. Brasilien nennt er ein «absolut faszinierendes Land, das sich aus der Armut herausarbeitet».

Ähnlich tönen die zahlreichen Unternehmer, die ihn begleiteten. «Das Land ist gut, um Geschäfte zu machen», sagt Matthias Weibel, Besitzer des Maschinenbauers Faes in Wollerau SZ.

Er weiss: Schweiz – Brasilien ist eine Beziehung mit Potenzial. Letztes Jahr exportierten Schweizer Firmen Güter im Wert von 2,2 Milliarden Franken in den Amazonas-Staat. Vor 13 Jahren waren es noch 1,26 Milliarden. Brasilien ist wichtigster lateinamerikanischer Handelspartner der Schweiz, vor Mexiko und Argentinien. Wobei mehr möglich sei, sagt André Regli (57), seit September 2013 Schweizer Botschafter in Brasilien. «Angesicht der Grösse des Landes ist das Handelsvolumen noch bescheiden – es wird stark zunehmen.»

Allein in den letzten drei Monaten beteiligte sich etwa der Flughafen Zürich am Airport in Belo Horizonte. Schoggihersteller Lindt übernahm die Mehrheit eines brasilianischen Schokoladevertreibers. Julius Bär, ABB, Novartis, Nestlé und Credit Suisse investierten zusammen mehrere Hundert Millionen Franken.

Derweil wollen brasilianische Bauern mehr Soja an Schweizer Viehzüchter verkaufen, noch mehr Rindfleisch an Schweizer Restaurants liefern.

jsa_brasilienNur harmonisch ist die Beziehung nicht. Die Schweiz will mehr Öffnung bei Dienstleistungen und Industrie, die Bauern aber abschotten. Brasilien will das Gegenteil. Lösen könnte den Konflikt ein Freihandelsabkommen, das Schneider-Ammann schon vor drei Jahren anregte. Heute ist er «nicht allzu euphorisch», dass es rasch zustande kommt. «Viel hängt davon ab, was andere tun.» Beschliessen EU und USA den freien Handel, gäbe das einen Schub für alle.

Ein solches Abkommen würde einiges erleichtern. Noch ist es schwierig, in Brasilien Fuss zu fassen. Die bürokratischen Hürden sind hoch, Korruption ist weitverbreitet. «Schweizer Firmen sollten sich rasch einen lokalen Partner nehmen», rät Regli. Um die Steuererklärung ordentlich auszufüllen, braucht ein Konzern 2500 Stunden Arbeit, in anderen Ländern ist das in 100 Stunden erledigt. Import­zölle sind sehr hoch.

Hinzu kommen soziale Spannungen. Rund 30 Millionen Menschen schafften in den letzten 10 bis 15 Jahren den Schritt aus der
Armut. Das hat in Brasilien Erwartungen geschürt. Die neue Mittelschicht will bessere Dienstleistungen, bessere Strassen, bessere Spitäler. Viele verstehen nicht, warum Brasilien für mehrere Milliarden Franken teure WM-Stadien baut, nicht aber bessere Spitäler.

swissnex_jsaNoch leben zig Millionen Menschen in Favelas, kontrolliert von Drogengangs. Erst vorgestern besetzte die Armee ein Armenviertel in Rio mit 130000 Einwohnern. Sie will erst nach der WM wieder abziehen.

Wenige Kilometer davon entfernt eröffnete Schneider-Ammann freitagnachts bei Älplermakronen und Raclette und
einem rauschenden Fest ein Swissnex-Büro, einen Hub für den wissenschaftlichen Austausch. Ein wichtiges Resultat der Reise: Künftig werden schweizerische und brasilianische Wissenschaftler noch enger zusammenarbeiten. «Die Ziele sind erfüllt», resümierte der Bundesrat. «Wir haben persönliche Kontakte geknüpft – und viele Türen geöffnet.»