Jetzt hilft leider nur noch Notrecht

Der Bundesrat gibt vor, die CS brauche kein Notrecht. Doch eine Alternative fehlt. Eine Geschichte des Versagens.

Von Peter Hossli

csDas Verdikt der sieben Bundesräte war eindeutig. Sechs stimmten dagegen. Eine Einzige wollte den UBS-Staatsvertrag auf weitere Schweizer Banken ausdehnen.Der damaligen Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf war klar: Die USA würden von weiteren Schweizer Banken die Namen von US-Kunden verlangen. Denn nicht nur die UBS half Amerikanern bei Steuerbetrug. Sondern jede Schweizer Bank.

Auf Kassandra hörte im Februar 2009 keiner. Es sei einzig ein Problem der UBS, hiess es. Oder: Was wollen diese dumpfen Amis eigentlich von uns?

Diese Mischung aus Ignoranz und Arroganz gebar den teuersten Fehlentscheid des Bundesrats: keine anderen Banken einzubeziehen.

Die Zeche zahlen wir jetzt. Eine Busse von über einer Milliarde Franken muss die Credit Suisse (CS) demnächst in den USA entrichten. Über hundert Banken sind mit den US-Behörden in teure Rechtsstreitigkeiten verstrickt. Das ist nicht nur ein Problem der Banken. Gefährdet sind Arbeitsplätze und somit Steuereinnahmen.

Korrigieren lässt sich dieser Fehler nur mit Notrecht. Warum? Ein Dilemma verunmöglicht jede andere Lösung.

Schweizer Banken, darunter die CS, sind aus US-Sicht Komplizen bei einem Verbrechen: Steuerbetrug. Dafür müssen sie büssen. Aber vor allem wollen die US-Behörden die Namen der Betrüger, also der Kunden. Diese dürfen Banken nicht liefern – das Bankgeheimnis verbietet es.

Bei der UBS löste der Bundesrat das Dilemma mittels Notrecht. Die Bank lieferte Daten, zahlte eine Busse und umging so eine Strafklage. Eine solche wäre ihr sicheres Ende gewesen.

Die Credit Suisse hofft seit Jahren, das gleiche Verfahren zu erhalten. Doch der Bundesrat laviert. Aus rechtsstaatlichen Überlegungen soll es kein weiteres Mal zu Notrecht kommen, keine weitere Bank auf diese Weise gerettet werden.

Hilflos sucht die Schweiz stattdessen nach Kniffen. Letzte Woche etwa reiste Widmer-Schlumpf (58) in die USA und besprach mit dem US-Justizminister bizarre Ideen. Ihr Staatssekretär verbreitete sie am Montag in einem «geheimen Hintergrundgespräch» – vor 60 Journalisten!

Ein Schuldgeständnis soll die CS in den USA ablegen, womöglich im Namen einer neu gegründeten Tochtergesellschaft. Die CS wäre dann eine kriminelle Bank. Die Folgen wären womöglich fatal.

Das Dilemma aber bleibt bestehen. Ein Schuldgeständnis ist kein Persilschein, das Bankgeheimnis zu brechen und Namen von US-Kunden preiszugeben. Genau darauf beharren die Amerikaner. Die US-Justiz kann – wie bei der UBS – sofort versuchen, per Zivilklage die Herausgabe von Namen zu erzwingen. Weigert sich die CS, folgt eine Strafklage.

Für die Schweiz ist der Steuerstreit mit den USA eine peinliche Sache. Versagt haben alle.

Die Banken, weil sie jahrelang unversteuerte US-Gelder annahmen. Der Bundesrat, weil er sich 2009 für Salamitaktik statt für eine griffige Lösung für den Finanzplatz entschied – und immer noch auf Salami setzt. Ignoranten im Parlament, die glaubten, es den Amerikanern zeigen zu können. Naive, weil sie dachten, eine politische Lösung, sogar ein Kompromiss mit den USA, sei möglich.

Doch bei den Amerikanern gilt das Recht des Stärkeren. Wer in den USA Geschäfte tätigt, akzeptiert deren Regeln. Ohne Wenn und Aber.

Lange glaubten die Amerikaner, der UBS-Vertrag könne auf andere Banken ausgedehnt werden. Das entspricht ihrem Rechtsverständnis. Jeder Fall in den USA schafft ein Präjudiz, auf das sich Juristen berufen.

Weil die Schweizer das nicht so sehen und überdies schlecht kommunizierten, fühlen sich die Amerikaner hintergangen. In Folge luden sie ihre Colts, die Hellebarden aber sind stumpf. Notrecht ist die letzte Schweizer Waffe. Letztlich ist es für das Land besser, eine gerettete als eine kriminelle CS zu haben.