Begegnungen 2014

Journalismus funktioniert, wenn er am kleinen Ort die grosse Geschichte erzählt, oder aktuelle Themen mit Menschen plausibel darstellt. Das habe ich 2014 als Autor der Blick-Gruppe versucht. Grossem Dank verpflichtet bin ich all jenen Menschen, die mir ihre Zeit schenkten – und den Fotografinnen und Fotografen, mit denen ich unterwegs war.

Januar
schwab“Ich bin quasi Volontärin”
Beim ersten WEF war sie Assistentin, dann heiratete sie den Gründer. Nun sorgt Hilde Schwab in Davos für Bodenhaftung.
Frau Schwab, welcher Staatschef hat den stärksten Händedruck?
Hilde Schwab: Da ich selber hart zulange, fallen mir die Drücker gar nicht so sehr auf.

Wer drückt denn fester – Staatschefs oder Manager?
Politiker langen kräftiger zu als Manager.

Sie und Ihr Mann Klaus drücken in Davos die Hände aller Gäste am Vorabend des Weltwirtschaftsforums. Warum?
Wir sind die Gastgeber, es ist die einzige Gelegenheit, alle zu begrüssen. Sonst ist das Programm voll.

An den Gedenkfeiern von Nelson Mandela drückte US-Präsident Barack Obama die Hand des ­kubanischen Präsidenten Raoul Castro. Warum ist das wichtig?
Wegen der Symbolik. Ein solcher Händedruck sagt: «Um die Welt zu verbessern, müssen wir zusammenarbeiten.» Der Handschlag kam unerwartet – und ist deshalb wichtig.

Das erste WEF fand 1971 statt. Warum wurde es ein Erfolg?
Weil wir intellektuell unabhängig und neutral blieben. mehr

leuthard“Sollte ich Angst haben?”
Bundesrätin Doris Leuthard über verlorene Abstimmungen – und warum sie häufig Heli fliegt. Sie habe kein schwieriges Verhältnis zur Auto-Lobby, sagt die Verkehrsministerin. Und erklärt, warum Fabi ein guter Name für eine Bahnvorlage ist.
Frau Bundesrätin, wo ist die Schweiz am unerträglichsten?
Doris Leuthard: Die Schweiz ist ein schönes Land und nirgendwo unerträglich!

Doch – im Pendler-Strom!
Finden Sie das wirklich?

Ihre Frage zeigt: Sie kennen die Welt der Pendler nicht.
Zwar pendle ich nicht jeden Tag, aber gerade letzte Woche fuhr ich zu Stosszeiten mit der Bahn.

Und Ihr Eindruck?
Unser Bahnsystem ist sehr gut und wird darum stark genutzt. Wegen der wachsenden Mobilität müssen wir mehr investieren. Das wird mit der Bahnvorlage Fabi ermöglicht.

Die Züge sind verstopft. Niemand pendelt gern. Warum wollen Sie es trotzdem fördern?
Wir fördern nicht das Pendeln, wir schaffen mehr Platz, damit die Leute von A nach B kommen und wir Güter bewegen können. Pendeln ist wegen familiären Situationen oder der Arbeit eine Realität. mehr

wallenbergHausmeister der Milliarden
Der schwedische Industrielle und Investor Jacob Wallenberg will uns den Gripen verkaufen – und sagt, warum nur Zuwanderer die AHV retten können.
Jacob Wallenberg ist hungrig. «Am WEF fehlt die Zeit zum Essen», sagt er. «Es ist zu viel los.» Er sitzt in einem vollen Café im Davoser Grandhotel Steigenberger, trinkt Wasser, wirkt bescheiden. Seine Familie kontrolliert ein Konglomerat aus global tätigen Firmen – seit fünf Generationen. Bei Saab sind die Wallenbergs die grössten Investoren. Der schwedische Konzern fabriziert den Kampfjet Gripen. Am 18. Mai entscheiden wir an der Urne, ob die Schweizer Luftwaffe 22 Gripen für 3,126 Milliarden Franken beschafft. Hinzu kommen jährlich wiederkehrende Unterhaltskosten.

Herr Wallenberg, wie sicher ist der Luftraum über Davos?
Jacob Wallenberg: Wissen Sie, es ist immer möglich, etwas noch besser zu machen.

Um Reiche und Mächtige am WEF besser zu schützen, braucht die Schweizer Luftwaffe also ein schwedisches Flugzeug?
Wenn das Schweizer Volk dieses schwedische Flugzeug will, freuen wir uns sehr, es bauen zu dürfen.

Den Luftraum über Davos macht der Gripen aber nicht sicherer!
Was gut für die Schweiz ist, beurteilen allein die Schweizer Regierung und ihre Luftwaffe – nicht ich. mehr

filippoBewerbungsfahrt in Orange
Züri-Tour mit Stapi-Kandidat Filippo Leutenegger. Wie will er die grösste Schweizer Stadt verändern?
Filippo Leutenegger sieht die Lücke, zieht am Gas und lenkt die orange Vespa vorbei an der Autokolonne. «In Zürich kommst du am schnellsten auf zwei Rädern voran», sagt der FDP-Nationalrat. Alle zwei Jahre kaufe er sich eine neue Vespa. Die alten Roller gebe er den Söhnen weiter, sagt der Vater von fünf Kindern.

Der ehemalige Chefredaktor des Schweizer Fernsehens und «Arena»-Moderator ist am 9. Februar Kandidat für den Zürcher Stadtrat – und möchte die amtierende Stadtpräsidentin Corine Mauch (53) aus dem Amt drängen. Alles hätte er erreicht, sei finanziell unabhängig, habe «eine wunderbare Familie», sagt Leutenegger. «Jetzt will ich mich für die anderen engagieren.»

BLICK begleitete den Vespa-Fahrer durch Zürich – und befragte ihn zu elf umstrittenen Themen in der grössten Stadt der Schweiz. mehr

Februar

mauch“Meine Aufgabe ist Hochleistungssport”
Velotour durch Zürich mit der Stadtpräsidentin. Corine Mauch (53) über die Finanzlage der Stadt, warum die Verichtungsboxen und ihre Vorliebe im Fussball.
Frau Stadtpräsidentin, am Sonntag wählt die Stadt Zürich. Fürchten Sie um Ihr Amt?
Corine Mauch: Nein, ich bin zuversichtlich. Auf der Strasse erhalte ich viele positive Rückmeldungen, auch von Sympathisanten anderer Parteien.

Filippo Leutenegger will Sie verdrängen. Als BLICK letzte Woche mit ihm auf der orangen Vespa durch Zürich fuhr, meldete sich Ihr Komitee: Sie hätten ein rotes Velo – und wollten auch in den BLICK.
Mein Velo besitze ich seit fünf Jahren. Herr Leutenegger wechselt die Vespa alle zwei Jahre. Zudem fahre ich ein Elektro-Velo, betrieben mit Ökostrom!

Dennoch waren wir erstaunt. Sie reagieren sonst langsam auf Ringier und ignorierten eine Anfrage von Ringier-CEO Marc Walder, Zürich als Medienstadt zu stärken.
Da ist in meinem Sekretariat ein Fehler passiert. Als ich davon erfuhr, nahm ich sofort mit Herrn Walder Kontakt auf. Wir hatten bereits ein Gespräch und verfolgen das Projekt Medienstadt.

Zu Beginn Ihrer Amtszeit beklagten Sie sich über das hohe Pensum. Haben Sie sich daran gewöhnt?
Meine Aufgabe ist anspruchsvoll, ein Hochleistungssport. Jetzt kenne ich aber die Dossiers und meine Geschäfte besser. Die Arbeit macht mir Spass – was die dafür nötige Energie freisetzt. mehr

martullo“Auch wir haben Offshore-Gesellschaften”
Ems-Chefin Magdalena Martullo nimmt FDP-Bundesrat Johann Schneider-Ammann in Schutz.
Frau Martullo, Bundesrat Johann Schneider-Ammann hatte bei der Ammann Group eine Offshore-Holding eingerichtet, um Steuern zu sparen. Was halten Sie davon?
Magdalena Martullo: Wir sind ebenfalls ein internationaler Konzern. Auch wir haben «Offshore-Gesellschaften».

Warum braucht die Ems solche Gesellschaften?
Wir brauchen sie für die Finanzierung unserer Tochtergesellschaften. Dafür haben wir Spezialisten vor Ort angestellt. Es gibt Länder, die für gewisse Tätigkeiten attraktiver sind als die Schweiz, auch steuerlich. Dann ist es doch normal, dort eine Gesellschaft einzurichten.

Der Schweiz geht aber Steuersubstrat verloren.
Das Geld verdienen wir im Ausland, weshalb sollen wir es in der Schweiz versteuern? Bei der Ems zahlen wir aber schon überproportional – über die Hälfte – viel Steuern in der Schweiz. mehr

jsa“Man will meinen Ruf zerstören”
Bundesrat Schneider-Ammann hat kein schlechtes Gewissen. Umoralisch gehandelt habe er nicht. Er will weiter für tiefe Firmensteuern kämpfen. Das Interview.
Sirenen heulen. Feuerwehrmänner eilen in den stattlichen Berner Bau. Hier hat das Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) seine Büro. Die Mitarbeiter verlassen das Gebäude. WBF-Chef Johann Schneider-Ammann (61) wird in Sicherheit gebracht. Nach einer halben Stunde die Entwarnung: Fehlalarm. Alle können zurück ins Gebäude. Im fünften Stock empfängt der Bundesrat SonntagsBlick. Er ist angespannt, hustet, schaut in die Weite.

Herr Bundesrat, wie gut schlafen Sie?
Johann Schneider-Ammann: Fast normal. Ich gebe aber gerne zu: Ich habe schon besser geschlafen.

Seit zehn Tagen stehen Sie in der Kritik. Setzt Ihnen das zu?
Ich würde lügen, wenn ich sagte, das gehe spurlos an mir vorbei. Aber ich weiss mit Gegenwind umzugehen. Für mich ist das eine Herausforderung, der ich mich stelle.

Als Chef der Ammann Group haben Sie auf der Kanalinsel Jersey steuergünstig Firmengelder angelegt. Warum?
Es gehört zu den Zielen der Firma, für Beschäftigung zu sorgen. Sie verdiente Geld, versteuerte Geld und sie parkierte Geld als Reserve an einem steuergünstigen Ort. mehr

cerfDas Internet ist wichtiger als das Rad”
Er gilt als Vater des Internets – und hält die globale Datenbahn für die Handelsstrasse des 21. Jahrhunderts. Google-Informatiker Vinton Cerf im Interview.
Vinton Cerf (70) entwickelte 1973 ein Programm, das Computer vernetzt. In der Fachsprache heisst es TCP/IP – die Vo­raussetzung für das Internet. 1989 entstand daraus das heutige World Wide Web. Seit 2005 ist Cerf Vizepräsident bei Google. Letzte Woche besuchte der Informatiker die Schweiz.

Mister Cerf …
Vinton Cerf: Nennen Sie mich bitte Vint.

Okay, Vint, was ist der wichtigste Wert jeder Branche?
Das Internet wird immer wichtiger, weil es Unternehmen erlaubt, physische Grenzen zu überwinden.

Wichtiger noch ist das Vertrauen. Viele sind vorsichtig geworden, seit bekannt ist, dass NSA-Spione Daten im Internet einsehen.
Zu keinem Zeitpunkt übergaben wir aus freien Stücken irgendwelche Informationen an die NSA. Wir tun nur das, was das Gesetz von uns verlangt.

Der Vertrauensbruch ist aber da. Wie lässt er sich wieder reparieren?
Seit Jahren schützen wir die Privatsphäre unserer Nutzer. Wir waren die erste Firma, die den Datenfluss zwischen unseren Servern und den Computern der Nutzer verschlüsselt hat. mehr

ruehlDie neue Lady für die Wirtschaft
Die neue Economiesuisse-Direktorin hat kein Auto und keine Putzfrau. Sie postet in Coop und Migros – und tanzte Ballett.
Ja, sie könne sich glücklich schätzen, sagt Monika Rühl (50). «Ich bereue nichts, jeder meiner bisherigen Jobs hat mir gut gefallen.»

Ihr nächster, das weiss die Diplomatin, ist «eine echte Herausforderung». Ab Sommer leitet Rühl Economiesuisse – den Wirtschaftsdachverband in der Krise. Für die Wirtschaft wichtige Abstimmungen, Abzocker- und Zuwanderungs-Initiative, gingen verloren. Zu schnell kamen und gingen in den letzten Jahren die Direktoren und Präsidenten. Vorbei ist die Zeit, als der Economiesuisse-Direktor eine Art 8. Bundesrat war.

Das schlechte Image sei ihr bewusst, es schrecke sie nicht ab, sagt Rühl. Sie ist zierlich, spricht direkt, wirkt selbstbewusst, stolz. Einst tanzte sie Ballett.

Seit 2011 ist sie Generalsekretärin von Bundesrat Johann Schneider-Ammann und somit dessen engste Beraterin. Zuvor war sie persönliche Mitarbeiterin von Bundesrat Joseph Deiss. Als Diplomatin diente Rühl in New York, erlebte die Terroranschläge vom 11. September 2001 vor Ort. «Der einzige Tag, an dem ich wirklich Angst hatte.» mehr

März

chodorkowski“Ich tue alles, um Blutvergiessen zu verhindern”
Der einstige Öl-Milliardär Michail Chodorkowski über die Ukraine, sein neues Leben in der Schweiz – und die Liebe zur Musik.
Das dünne Haar ist aschgrau. Er lächelt sanft, der Händedruck aber ist kräftig. Für einen, der zehn Jahre im Gulag war, sieht Michail Chodorkowski (50) blendend aus. Mit Tochter Nastja (22) betritt er die Zürcher Tonhalle.

Dann herzt der einstige Öl-Milliardär den estnischen Komponisten Arvo Pärt (78) – es ist eine historische Begegnung . Das Zürcher Kammerorchester führt Pärts Sinfonie Nr. 4 «Los Angeles» auf. Der Este hatte das berührende Werk 2008 dem damals in Sibirien inhaftierten Chodorkow­ski gewidmet. Heute hört es der Russe zum ersten Mal. Er strahlt Ruhe und Bescheidenheit aus.

Herr Chodorkowski, was hat Ihnen im Gefängnis besonders gefehlt?
Michail Chodorkowski: Meine ­Familie – und der Austausch mit anderen. Schon im ersten Jahr merkte ich, wie sehr mir die Musik fehlte.

Sie lebten zehn Jahre ohne Musik?
Jegliche Art von Musik war im Gefängnis verboten, Tongeräte nicht erlaubt. Einst schrieb ich ins Tagebuch, ich würde nach meiner Freilassung in ­einem grossen Konzertsaal klassische Musik anhören. Wobei ich dachte, die Philharmonie in Moskau zu besuchen. Jetzt ist es halt Zürich. mehr

golovin“Wir kennen diese Soldaten nicht”
Russland-Botschafter Alexander Golovin über die Krim-Krise, das getrübte Verhältnis zur Schweiz – und die Geistersoldaten in der Ukraine.
Gediegen ruht die Berner Villa der russischen Botschaft hinter ihrem stählernen Zaun. Hausherr Alexander Golovin lädt in den Salon. «Tee oder Kaffee?», fragt der Botschafter in perfektem Deutsch, serviert Guetsli dazu. Golovin gehört zum deutschsprachigen Flügel des russischen Aussenministeriums. «Ich habe in der BRD und der DDR gelebt», sagt er. Seit zwei Jahren ist er Botschafter in Bern. Dieses Jahr sei «speziell»: Russland und die Schweiz feiern 200 Jahre diplomatische Beziehungen.

Herr Botschafter, wie gut ist das Verhältnis zwischen der Schweiz und Russland?
Alexander Golovin: Es ist ausgezeichnet! Wir arbeiten auf fast allen Gebieten eng zusammen: wirtschaftlich, kulturell, politisch, sogar militärisch.

Wirklich? Bundesrat Maurer sagte diese Woche einen dreiwöchigen Kurs für russische Gebirgsgrenadiere in Andermatt ab. Für Russland ein Affront!
Handelt es sich tatsächlich um eine Bestrafung Russlands, verstehe ich das nicht. In Andermatt werden Soldaten für die Rettung ausgebildet, nicht für Kriegseinsätze. mehr

schroeder_39“Als Hausmann würde ich mich nicht bezeichnen”
Der deutsche Altkanzler Gerhard Schröder über seinen Vertrauten Wladimir Putin, warum er lieber Macht als Geld hat – und wer ihn masslos enttäuscht hat.
Herr Bundeskanzler a. D., wie spricht man einen ehemaligen Bundeskanzler an?
Gerhard Schröder: Sagen Sie bitte einfach Herr Schröder zu mir.

Also, Herr Schröder, Sie sind ein Freund von Russlands Präsident Wladimir Putin …
… ich kenne ihn gut …

… Putin ist der einflussreichste Politiker der Welt …
… das sehe ich nicht so, das würde er sicher selbst nicht so sehen …

… er hält die Welt in Atem. Was treibt ihn an?
Ich bin doch kein Psychologe.

Dann erklären Sie ihn politisch!
Russland hat historisch begründete Ängste, eingekreist zu werden. Zudem will Russland in der internationalen Politik auf Augenhöhe sein mit den USA und anderen Mitgliedern des Uno-Sicherheitsrats. Die Entwicklung in der Ukraine schürt in Moskau weitere Ängste.

In Kiew stürzte ein Autokrat!
Aber in der neuen ukrainischen Regierung gibt es rechtsradikale bis faschistische Kräfte. Die haben als Erstes das Verbot der russischen Sprache beschlossen. mehr

April

zataari2Die Stadt der Hoffnung
Seit drei Jahren tobt der Bürgerkrieg in Syrien. Eine Ende ist nicht in Sicht. Das Zaatari-Camp in Jordanien wandelt sich vom Provisorium zur Flüchtlings-Stadt. Ein Besuch.
Es ist kalt in der Wüste. Trockener Wind wirbelt Staub und Plastikfetzen auf. Verhüllte Frauen und Kinder säumen die löchrige Strasse, die an einem Stacheldrahtzaun endet. «Willkommen im Zaatari-Camp», grüsst ein Schild. Willkommen im Chaos – und in der Stadt Hoffnung.

Zaatari: Das ist das zweitgrösste Flüchtlingslager der Welt. Hier, im kargen Norden Jordaniens, hausen 106 073 Syrer auf 3,3 Quadratkilometern Fläche. Mehr als die Hälfte sind Kinder, geflüchtet vor einem Bürgerkrieg, der seit über drei Jahren in Syrien tobt.

Sie haben fast alles zurückgelassen, fast alles verloren. Nur eines nicht – die Hoffnung. «Ja, ich will nach Syrien zurück», antworten alle auf die Frage nach ihrer Zukunft. Wann? Das weiss keiner.

Knapp 20 Monate erst gibt es das Lager. Es ist längst zur Grossstadt angeschwollen mit 40 Spielplätzen und 12 Fussballfeldern. Jede Nacht kommen gegen 800 Syrer über die 30 Kilometer entfernte Grenze. Vor wenigen Wochen waren es noch 300 gewesen. mehr

jsa_brazil“Ich bin kein Tänzer, ich bin Realist”
Der Schweizer Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann ist auf Besuch in Brasilien. Was er über Fussball denkt, und welche Hoffnungen er für die Schweizer Nationalmannschaft hegt.
Herr Bundesrat, wir reden im Land des Fussballs. Auf welcher Position spielten Sie als Knabe?
Johann Schneider-Ammann: Bei den Junioren des FC Kolibri und des FC Sumiswald war ich Flügelstürmer.

Dann schiessen Sie lieber Tore als sie zu verhindern.
Klar, ich mache gerne die Goals. Aber um zu gewinnen, braucht es die Absicherung nach hinten und den Druck nach vorn. Entscheidend ist immer das Team.

Sie spielen nicht mehr aktiv. Was bedeutet Ihnen Fussball heute?
Ich bin ein Fussballliebhaber. Gerne schaue ich mir in Ruhe ein Champions-League-Spiel an. Einmal pro Jahr schaffe ich es ins Stadion an ein Spiel. Für mich ist das sehr erholsam.

Welches ist Ihr Team?
Eine heikle Frage für einen Bundesrat. Seit ich ein Bub bin, sind die Berner Young Boys mein Team. Als kleiner Schnoderi erhielt ich ein gelbes Leibchen, auf das ich stolz war.

Und im grossen Fussball?
Ich mag den FC Barcelona. mehr

zwei_brasilienDas gespaltene WM-Land
Hier unendlicher Reichtum, dort unerträgliche Armut: In Brasilien klafft ein grosser sozialer Graben. Das bedeutet für die WM nichts Gutes.
Gabriel senkt den Kopf. Gebeugt taucht er ins Versteck unter der Brücke. Es stinkt. Netze liegen da, Boote und Angelruten dort. Über ihm röhrt die Autobahn, die den Flughafen von Rio de Janeiro mit den famosen Stränden der brasilianischen Stadt verbindet. «Wenn sie das finden, bin ich erledigt.»

Gabriel (56) ist Fischer in Rio. Täglich fährt er aufs Meer, seit 44 Jahren vom selben Ort im Complexo da Maré, eine der grössten Favelas der 11-Millionen-Metropole.

Ohne Netze, Boote und Ruten sei er niemand. Jetzt droht er sie zu verlieren. Wegen der Fussball-WM in Brasilien. Die Stadt will ihn weg haben. Zu gefährlich sei er für Touristen, die während der WM über die Brücke fahren. «Ich, gefährlich?» Er lacht. «Nur ein Ärgernis für die Fifa.»

Kein Gramm Fett liegt auf seinem Körper. Er trägt Shorts, Sandalen, eine Uhr. Graue Stoppeln spriessen im Gesicht, auf der Brust.

Nervös zieht er an einer Zigarette, schaut, ob ihn jemand beobachtet. Niemand soll sehen, dass er mit Journalisten redet. Gestern sei eine junge Frau verschwunden, nachdem sie mit Reportern sprach. «Die Narcos», vermutet Gabriel als Täter, Rios Drogenbosse. mehr

this_jenny“Der Tod ist nichts als ewiger Schlaf”
Der Glarner alt Ständerat This Jenny hat Krebs. Wie er damit lebt. Was er über das Ende denkt. Und wie die Krankheit die Liebe verändert.
Herr Jenny, heute ist Ostern, Tag der Auferstehung. Glauben Sie an eine Zeit nach dem Leben?
This Jenny: Nein. Ich gönne es aber jedem, der das tut. Für mich ist der Tod nichts als ewiger Schlaf.

Sie haben Magenkrebs. Wie viel Zeit bleibt Ihnen noch?
Werde ich nicht operiert, ein Jahr.

Wovon hängt das ab?
Ob die Chemotherapie anspricht. Das ist bei 15 Prozent der Patienten der Fall. Seit letztem Mittwoch weiss ich: bei mir hat sie angesprochen.

Das heisst, Sie werden operiert?
Nein, es besteht die Chance dazu. Am Dienstag weiss ich Bescheid. Dann spiegeln sie mir den Magen.

Wie gross sind diese Chancen?
Heute grösser als vor drei Wochen. Die Ärzte glaubten damals, dass es keine Operation geben werde. mehr

Mai

schroeder“Ich habe mich gefreut, dass Putin gekommen ist”
Der ehemalige deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder erklärt im grossen Interview, wie der die Ukraine-Krise sieht, welche Rolle dabei die Schweiz mit Bundespräsident Didier Burkhalter spielen kann und wie Wladimir Putin so tickt.
«Zarengünstling» und «Ich-AG Schröder», «Schröders Irrfahrt», «Schröders bizarre Kumpanei», «Charakterdefizite», «Ist der Ruf erst ruiniert, feierts sich ganz ungeniert» – Herr Schröder, was geht in Ihnen vor, wenn Sie solche Kommentare lesen?
Gerhard Schröder: Nichts. Ich kenne das aus früheren Zeiten, und deswegen beeindruckt mich das nicht. Während der Auseinandersetzungen mit den USA wegen des Irak-Kriegs haben mich die gleichen Journalisten auch so heftig attackiert. Wäre es nach ihnen gegangen, hätte Deutschland im Irak gemeinsame Sache mit den Amerikanern gemacht. Ich hatte damals recht, und ich bin der Meinung, dass es heute richtig ist, mit dem russischen Präsidenten zu reden.

Viele Menschen hat Ihre Umarmung mit Wladimir Putin zumindest irritiert. War das kurz nach seiner Annexion der Krim die richtige Geste? Oder haben Sie nur nicht darauf geachtet, dass Sie nicht fotografiert werden?
Natürlich war mir klar, dabei fotografiert zu werden. Aber ich habe nichts zu verbergen, und ich werde mich auch nicht verbiegen. Seitdem ich Wladimir Putin kenne, seit mehr als 14 Jahren, begrüssen wir uns so. Das ändere ich auch nicht in schwierigen Zeiten. mehr

straumann“In die EU gehen wir erst, wenn es uns richtig dreckig geht”
Wirtschafts­historiker Tobias Straumann erklärt, warum die Beziehung Schweiz-Europa noch lange kompliziert bleibt.
Hell und hoch ist die Aula der Universität Zürich. Hier forderte Winston Churchill am 19. September 1946 die «Vereinigten Staaten von Europa». So «frei und glücklich wie die Schweiz» könne Europa eines Tages sein, sagte Churchill in seiner famosen Rede. «Da war das Verhältnis zwischen der Schweiz und Europa
bereits 500 Jahre lang schwierig», sagt Wirtschaftshistoriker Tobias Straumann (48). «Eine Entspannung ist nicht in Sicht.»

Obwohl die Schweiz bereits 2016 erneut über ihr Verhältnis zu Europa abstimmen wird. «Es wird weitere Kompromisse geben», glaubt Straumann. «Das Hin und Her zwischen Distanz und Annäherung bleibt bestehen – noch während Jahrzehnten», sagt der Professor. «Ein altes Dilemma verhindert eine dauerhafte Lösung.» mehr

dougan“Ich bin frustriert!”
CS-Chef Brady Dougan beendete den Steuerstreit mit den USA – und versteht nicht, warum er jetzt gehen soll.
Hauptsitz der Credit Suisse, in Zürich. Auf dem Tisch des Sitzungszimmers steht eine volle Flasche Cola Zero. Konzernchef Brady Dougan setzt sich, schenkt Cola ein.

Mister Dougan, wie viel Bargeld tragen Sie auf sich?
Brady Dougan: Etwa 100 Franken.

Nur Franken, keine Dollar?
Meist noch 100 Dollar. (Er greift in die Hosentasche.) Aber mein Portemonnaie ist jetzt nebenan im Büro.

Sie sind Amerikaner. Welche Schweizer Bank nimmt Sie noch als Kunde?
Ich habe mein Hauptkonto bei der Credit Suisse in den USA.

Weil die CS Schweiz Sie nicht mehr will?
Wie alle anderen US-Staatsbürger muss auch ich mich strikten Vorschriften unterziehen. Deshalb sind Schweizer Banken aus dem grenzüberschreitenden US-Geschäft ausgestiegen. mehr

Juni

bortoluzzi“Das geht Sie einen alten Dreck an”
Toni Bortoluzzi über Schwule, Conchita Wurst – und ob er schon mal fremdgegangen ist.
Der Zürcher SVP-Nationalrat Toni Bortoluzzi (67) bezeichnete Schwule und Lesben im «Beobachter» als «fehlgeleitet». Es sei «dummes Zeug», homosexuelle Beziehungen einer Ehe zwischen Mann und Frau gleichzustellen. Zumal Letztere der Fortpflanzung und der Erziehung von Kindern diene. Gleichgeschlechtliche Paare hätten «einen Hirnlappen, der verkehrt läuft», so Bortoluzzi. Er hat damit einen Sturm der Entrüstung ausgelöst.

Herr Bortoluzzi, welches Geschlecht hat Conchita Wurst?
Toni Bortoluzzi: Das weiss ich nicht. Wurst ist ein Teil der hochgejubelten gesellschaftlichen Fehlentwicklung, die ich anprangere.

Was stört Sie am Gewinner des Eurovision Song Contest?
An der Person nichts. Jeder soll leben, wie er es für richtig hält. Mich stört aber, dass die Gesellschaft und die Politik den moralisierenden Minderheitenkult rund um Conchita Wurst gutheissen – und ihn euphorisch unterstützen.

Wurst ist schwul, trägt Frauenkleider und steht für Toleranz.
Unter Toleranz verstehe ich etwas anderes, als – wie Wurst – etwas Besonderes sein zu wollen. Er oder sie steht für gesellschaftliche Dekadenz. Solche Leute zeigen keinerlei Toleranz, wenn ich etwas öffentlich sage, was ihnen nicht passt. Es sind Moralisten, die andere Meinungen nicht tolerieren. mehr

August

island“Ich will diese Menschen finden”
Täglich fliehen Tausende Menschen übers Mittelmeer. Isländische Grenzer suchen vom Flieger aus nach Flüchtlingsbooten. Ein Bericht aus der Luft.
Farbige Punkte gleiten über den Bildschirm. Grün sind die Frachter, orange die Fregatten, gelb die Fischkutter. Es ist 13.20 Uhr, zwei Kilometer über dem Mittelmeer zwischen Sizilien und Afrika. Leutnant Arnarson entdeckt einen schwarzen Punkt – ein Schiff, das kein Radarsignal sendet. «Näher», funkt er dem Piloten. Der zieht das Turboprop-Flugzeug westwärts. «Wir schauen genau hin», sagt Arnarson. Per Joystick richtet er die Kamera auf das Geisterschiff. Flüchtlinge?

«Fischer!», entwarnt er. «Flüchtlinge bewegen sich viel sprunghafter.» Er protokolliert den Zwischenfall und starrt alsbald wieder auf den gepunkteten Schirm.

Mit Hightech lindert der Isländer menschliche Tragödien. Arnarson – den Vornamen gibt er wie alle Isländer nicht preis – steht im Dienst der isländischen Küstenwache. Diese stellt der EU-Agentur Frontex ein Flugzeug. Die Isländer suchen nach Booten, die Flüchtlinge von Afrika nach Europa bringen – eine Armada der Verzweifelten. Täglich 3000 Menschen erreichen Italiens Küste. mehr

hossli_ceuta“Was wir hier abfangen, kommt nicht in die Schweiz”
Vierzig Schweizer schützen Europas Aussengrenze. Ein Besuch in Südspanien und Nordafrika.
Der schmächtige Bursche schielt zu Boden. «Papiere, bitte!», fordert der kräftige Grenzwächter. Der Junge – kaum 20, in kurzen Hosen – schweigt, hält eine spanische Identitätskarte hoch. Sie zeigt ein fülliges Gesicht mit buschigen Brauen. Der Bursche aber hat Kanten und schmale Brauen. «Betrüger», ruft der Grenzer. Zwei spanische Polizisten führen ihn ab, verhören ihn. Kein Wort Spanisch spricht der angeb­liche Spanier. Er ist Marokkaner, seine Identität falsch.

Überführt hat ihn ein Tessiner in Ceuta, der spanischen Enklave in Afrika. «Das Gesicht hat ihn verraten», sagt Benedetto* (41). «Und er sprach nicht.»

Benedetto, den hier alle Max nennen, bewacht die Grenze Europas. Vom Mittelmeer ist Ceuta umgeben und von Marokko. 44 Tage schiebt der Schweizer Dienst für Frontex, die europä­ische Grenzschutzagentur, die «den Kampf gegen illegale Einwanderer perfektioniert», wie die «Süddeutsche Zeitung» schreibt. mehr

duke“Der Mond riecht wie Schiesspulver”
Charlie Duke ist einer von zwölf Menschen, die auf dem Erdtrabanten spazierten. Er erzählt, wie der Mond riecht – und warum er wieder zurück will.
Charlie Duke (78) landete Apollo 16 am 21. April 1972. Duke war damals 36 – und der jüngste Mann im Mond.

Mister Duke, wie hoch können Sie springen?
Charlie Duke: Auf der Erde einen Fuss.

Das sind 30 Zentimeter. Und wie hoch sprangen Sie auf dem Mond?
Etwa vier Fuss.

Das ist nicht gerade viel.
Ohne Raumanzug hätte ich sechsmal höher springen können.

Ihre Sprünge waren berüchtigt.
Einmal fiel ich auf die Nase, da brauchte es ein paar Liegestützen, um wieder auf die Beine zu kommen. Gefährlicher war es, als ich bei einem Sprung die Balance verlor und auf den Rücken fiel. Mir verschlug es den Atem. mehr

September

huffpo“Es wird alles noch schneller”
Der Däne Jimmy Maymann (43) erklärt die Zukunft des Journalismus. Der Paywall gibt der CEO der «Huffington Post» keine Chance.
Mister Maymann, wo liegt nachts Ihr Handy?
Jimmy Maymann: In Griffnähe meines Betts – also viel zu nahe.

Dann können Sie nie abschalten?
Einfach fällt mir das nicht. In irgendeiner Form bin ich immer online, manchmal etwas intensiver, dann etwas weniger.

Sie führen «The Huffington Post», eine globale Online-Zeitung. Wie kommunizieren Sie?
Meine E-Mails lese ich ständig. Das Wochenende aber gehört meiner Frau und meinen drei Kindern. Dann telefoniere ich kaum.

Lesen Sie noch Zeitungen?
Ich gehöre zur letzten Generation, die gerne Gedrucktes liest. Aber nur noch am Sonntag.

Wie informieren Sie sich sonst?
Digital! Über Apps und am Computer, selten nur am Fernseher.

Medienhäuser haben Mühe, digitale Inhalte zu verkaufen. Wann verlangen Sie dafür Geld?
Wir können uns glücklich schätzen. Von Beginn boten wir nur digitale Inhalte an. Im Gegensatz zu klassischen Medienhäusern verlieren wir keine Auflage und müssen keine Druckereien amortisieren. Wir leben von Werbung – und brauchen daher viel Publikum. Deshalb bleiben unsere Inhalte kostenlos. mehr

Oktober

schneider2“Ja, so ist das jetzt”
Krebs raubt Jörg Schneider die Kraft für die Bühne. Den Tod fürchtet er nicht.
Ein Wohnblock neben den Gleisen in Wetzikon ZH. Die Tür im vierten Stock steht offen. Jörg Schneider (79) empfängt drei Reporter. Er ist bleich. Wegen seiner Frau Romy (76) wohnt der Schauspieler hier. Seit 51 Jahren sind sie verheiratet. Sie ist querschnittgelähmt, angewiesen auf einen Lift. Jörg Schneider hatte vor, nach dem Ende seiner letzten Tournee abzutreten und sie zu pflegen. Sein Plan geht nun nicht auf. Er ist selber schwer erkrankt – und sitzt wie seine Frau im Rollstuhl.

Herr Schneider, Sie wollen nie mehr auf eine Bühne treten …
Jörg Schneider: Falsch! Ich möchte gerne wieder auf die Bühne, aber ich kann das nicht mehr.

Warum haben Sie keine Kraft?
Weil ich an einem schweren Leberkrebs erkrankt bin. Die erste Chemotherapie habe ich bereits hinter mir. Es ist gar nicht lustig.

Wie lautet die Prognose?
Der Arzt sagt, es sei schwierig. Wirkt die Chemotherapie, kann ich noch ein bisschen leben. Allzu lange wird es wohl nicht mehr hinhalten. Es steht schlimm um mich.

Eine Krebsdiagnose verändert einen. Wie haben Sie reagiert?
Im Moment war ich einfach nur leer. Dann dachte ich an meine Frau. mehr

haug“Ich gebe nie auf!”
Ein Zürcher Wein- und Milchbauer stoppt den Gubrist-Ausbau – für seine Enkel. Ein Stück über Schweizer Werte.
Ein Jahr hat 365 Tage. An 343 davon stauen sich Fahrzeuge am Gubrist durchschnittlich sechs Stunden. Kein Schweizer Flaschenhals ärgert mehr Autofahrer als der 3250 Meter lange Tunnel, der im Kanton Zürich das Limmattal mit dem Glatttal verbindet.

Entlastung brächte eine dritte Röhre. Doch sie ist in weite Ferne gerückt. Wegen Wein- und Milchbauer Hanspeter Haug (64).

Zehn Jahre stemmte sich der Gemeindepräsident von Weiningen ZH gegen das Gubrist-Projekt des Bundesamts für Strassen (Astra). Nun gab ihm das Bundesgericht in Lausanne recht. Mit weitreichenden Folgen.

Um Milliarden teurer dürften Strassenbauten schweizweit künftig werden. Statt wie einst geplant nächstes Jahr entlasten wohl frühestens 2025 sechs Spuren den Engpass am Gubrist. Bei jährlich 2058 Stunden Stau sind dies total 28 weitere Monate, während denen Autos vor dem Tunnel nonstop stillstehen.

Breitbeinig steht Bauer Haug in seinem Weinberg. Die Stadt Zürich sieht er, das Alpenpanorma und die Autobahn, die unter ihm wummert. Ein Flugzeug donnert über seinen Kopf hinweg. mehr

November

leVine“Es reicht nicht, eine Frau zu sein”
Die neue US-Botschafterin über die Kongresswahlen in Amerika, Frauen in der Politik – und wie sie sich bemüht, Barack Obama endlich in die Schweiz zu bringen.
«Stop it, Vegas», geheisst Suzi LeVine ihren Pudel. Der Hund springt in ihrer Residenz den Reporter an. An den Wänden hängen Fotos, die LeVine mit Barack Obama zeigen. Für den US-Präsidenten sammelte sie Geld. Er verdankte es ihr mit dem Amt in Bern.

Frau Botschafterin, die USA und die Schweiz sind seit 1848 Schwester-Republiken. Wie oft sehen Sie Ihre eigenen Geschwister?
Suzi LeVine: Zuletzt vor zwei Wochen in Washington. Leider sehe ich sie nur selten.

Noch nie hat ein US-Präsident die Schweiz besucht. Das ist unhöflich.
Nicht nur unsere Präsidenten sind Geschwister, sondern alle Schweizer und alle Amerikaner. Da sehen wir uns recht oft.

Bundespräsident Didier Burk­halter hat Obama im September eingeladen. Es wäre ein Affront, diese Einladung auszuschlagen.
Derzeit arbeite ich mit Mitgliedern der Schweizer Regierung und mit Geschäftsleuten auf einen Punkt hin, bei dem es Sinn machen könnte, den Präsidenten zu involvieren. mehr

afghanistan“Italien zeigt kein Herz für meine Familie”
Die italienische Migrantenkrise verschärft sich. Behörden lassen Familien fallen. Und Italiener greifen Flüchtlingszentren an.
Dünne Decken liegen auf zwei Pritschen. Schwach flimmert das Neonlicht. Tapeten blättern ab. Kalt harrt der Steinboden.

Rasool Rezai (43) holt ein Foto aus dem Schrank. Es zeigt seine Familie, als sie noch eine Familie war.

Vater, Mutter, Tochter, Sohn.

«All das ist zerbrochen», sagt er. Mehr als diesen unwirtlichen Raum in der italienischen Stadt Treni hat der afghanische Flüchtling nicht. «Wegen Fatima erdulde ich all das.» Wegen seiner Tochter. «Sonst würde ich mich wohl umbringen.»

Hier in Italien endet seine Reise. Sie beginnt vor neun Jahren mit verbotener Liebe. Rasool lacht Madine an. Ihre dunklen Augen haben es ihm angetan. Er aber ist Schiite, sie ist Sunnitin. Sein Stamm verachtet ihren Stamm seit Generationen, wie bei «Romeo und Julia».

Trotzdem heiraten sie, haben zwei Kinder. Er erntet Gemüse, sie bestellt den Haushalt. Bis sie fliehen. Zu gross ist der Hass im Dorf. mehr

Dezember

maurer_beg«Wir verstehen nicht, was genau der IS ist»
IKRK-Präsident Peter Maurer über Verhandlungen mit IS-Terroristen – und wie er seine Macht einsetzt.
Peter Maurer: Sie verhandeln direkt mit dem IS. Wie schlägt das IKRK die Brücke zu einer Gruppe, die das Völkerrecht derart missachtet?
Wir denken in anderer Logik, als Ihre Frage suggeriert. Uns interessiert nicht, ob oder wie wir mit einem Gebilde wie dem IS verhandeln. Uns interessiert, wie wir den Menschen helfen können, die in vom IS kontrollierten Regionen leben.

Wie kontaktieren Sie den IS?
Wir hatten schon vor dem IS Kontakte zur lokalen Bevölkerung, zu Stämmen und lokalen Autoritäten. Über sie versuchen wir zu verstehen, wer die Personen sind, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen.

Was bringen die Verhandlungen?
Wir wollen den Zugang zu Gebieten mit bedürftigen Menschen verbessern. Der Zugang ist uneinheitlich. Zumal es keine IS-Zentrale gibt, mit der wir verhandeln. Überall müssen wir lokale Bedingungen gesondert verstehen. Das syrische Raqa versorgen wir mit Wasser, mit Zustimmung lokaler und der syrischen Behörden und dem Syrischen Roten Halbmond. Nach Mosul und Falludscha haben wir Medikamente und andere Hilfsgüter gebracht, mit Zustimmung lokaler Behörden und von Bagdad. mehr

nw_beg“Mit Geri verbindet mich heute gar nichts mehr”
Die 33-jährige N. W. brachte den Skandal des Jahres ins Rollen – hier schildert sie, was sie antrieb.
Es ist die wohl aufregendste Geschichte des Jahres. Um Sex geht es, Macht, Politik, um Medien und Moral. Badens Stadtammann Geri Müller (54) und Studentin N.W.* (33) tauschten per Chat Nacktfotos und -videos aus. Eine Aargauer Zeitung machte es publik. Geblieben sind Fragen: Wann gehört Privates an die Öffentlichkeit? Wer hat wen wie angestiftet? Wann muss ein Politiker zurücktreten? SonntagsBlick fragte Müller und N. W. zum Jahresende je für ein Interview an. «Ich habe in diesem Jahr sehr viel Politisches geleistet», antwortete Nationalrat Müller. Zum Fall sage er nichts mehr. N.W. beantwortete Fragen schriftlich.

Frau W., Anfang 2014 waren Sie unbekannt. Jetzt redet die Schweiz über Sie. Als was soll man Sie wahrnehmen?
N. W.: Als jemanden, der einfach nur Mensch ist, der reagierte, weil ihm Unrecht angetan worden war.

Warum reden Sie mit der Presse?
Oft lehne ich Interviews ab, denn ich will mich keineswegs inszenieren. Dies wird eines der letzten Interviews zur Affäre Müller sein. Mir ging es stets darum, mit Hilfe sachlicher Beweise falsche Behauptungen aufzudecken und richtig zu stellen. Dies ist gelungen. mehr

Besten Dank an die Fotografen: Niels AckermannRemo NägeliThomas Lüthi, Philippe Rossier, Sabine Wunderlin, Peter Mosimann, Goran Basic, Gerry NitschPhilippe HublerNik HungerPascal MoraDado Galdieri, Daniel Pilar, Jorma Müller, Peter Gerber, Joseph KhakshouriSiggi BucherLuca Sola

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