“Es wird alles noch schneller”

Der Däne Jimmy Maymann (43) erklärt die Zukunft des Journalismus. Der Paywall gibt er keine Chance.

Interview: Peter Hossli Fotos: Joseph Khakshouri

jimmy_maymannMister Maymann, wo liegt nachts Ihr Handy?
Jimmy Maymann: In Griffnähe meines Betts – also viel zu nahe.

Dann können Sie nie abschalten?
Einfach fällt mir das nicht. In irgendeiner Form bin ich immer online, manchmal etwas intensiver, dann etwas weniger.

Sie führen «The Huffington Post», eine globale Online-Zeitung. Wie kommunizieren Sie?
Meine E-Mails lese ich ständig. Das Wochenende aber gehört meiner Frau und meinen drei Kindern. Dann telefoniere ich kaum.

Lesen Sie noch Zeitungen?
Ich gehöre zur letzten Generation, die gerne Gedrucktes liest. Aber nur noch am Sonntag.

Wie informieren Sie sich sonst?
Digital! Über Apps und am Computer, selten nur am Fernseher.

Medienhäuser haben Mühe, digitale Inhalte zu verkaufen. Wann verlangen Sie dafür Geld?
Wir können uns glücklich schätzen. Von Beginn boten wir nur digitale Inhalte an. Im Gegensatz zu klassischen Medienhäusern verlieren wir keine Auflage und müssen keine Druckereien amortisieren. Wir leben von Werbung – und brauchen daher viel Publikum. Deshalb bleiben unsere Inhalte kostenlos.

Wird es jemals Sinn machen, Geld für digitale Inhalte zu verlangen?
Zwanzig Prozent sind bereit, für digitalen Journalismus zu bezahlen. Sie wollen aber etwas anderes als das heutige System. Die Paywall funktioniert nicht.

Warum denn nicht?
Verleger dachten, sie könnten im Internet ihre Artikel verkaufen, wie sie das immer taten: mit einem Abo für alles. Das nützt zwar den Verlegern. Online entscheiden aber die Leser.

Und was wollen die Leser?
Nur noch für das zahlen, was sie wirklich interessiert. Die Ver­lage müssen also auf jeden Kunden gesondert eingehen. Was technisch ja kein Problem wäre.

Und wofür bezahlen die Kunden?
Sicher nicht für Nachrichten – sondern für Analysen, recherchierte Stücke, für exklusive Inhalte. Alles andere bleibt gratis.

Dann ist die Paywall für niemanden die richtige Lösung?
Höchstens für Nischentitel wie die «Financial Times», den «Economist» oder das «Wall Street Journal».

hossli_maymannZeitungen und Magazine verlieren Leser, der Umsatz schrumpft. Das Internet kompensiert das nicht. Was rettet den Journalismus?
Auf jeden einzeln zugeschnittene, bezahlte Inhalte. Das Vorbild ist iTunes. Statt ganze CDs, kaufen wir dort einzelne Songs.

Wann kommt dieses Modell für den Journalismus?
Verleger hätten die Lösung gerne schon heute. Aber es dauert drei bis fünf Jahre, bis sie steht.

Die «Huffington Post» will zur globale Marke werden. Journalismus ist aber meist lokal, selten national.
Unser Vorbild ist der Nachrichtensender CNN. Der wurde nach dem ersten Golfkrieg 1991 zur weltweiten Medienmarke. Wir sind bereits in zwölf Märkten ­tätig. Nach jeweils zwei Jahren schreiben wir schwarze Zahlen.

Sie haben einen Ableger in Nordafrika. Verdienen Sie denn dort Geld?
Ob das je möglich sein wird, weiss ich nicht. In Nordafrika zu sein, gehört zu unserer Philosophie. Wir helfen, im Maghreb nach dem Arabischen Frühling die Demokratie zu stärken.

Wann kommen Sie in die Schweiz?
Nicht in absehbarer Zukunft. Wir wollten in 15 Märkten sein und die Leserzahl von 50 Millionen in den USA auf global 100 Millionen erhöhen. Wir haben jetzt 115 Millionen. Nun folgen noch Indien, China, Australien und Mexiko.

Was muss ein Journalist in dieser neuen Welt alles können?
Bisher war der Journalist fertig, wenn er seinen Artikel dem Redaktor ablieferte. Heute beginnt erst dann die Arbeit. Online-Journalisten setzen Titel, verlinken, reichern ihre Texte mit Bildern und Videos an – und sie drehen die Geschichte weiter.

Und wie werden sich die Anforderungen künftig entwickeln?
Es wird für alle noch schneller und noch aggressiver werden.

Brauchen wir noch mehr Infos?
Nein! Die Technik hilft uns aber zu finden, was wir brauchen.

Sie haben drei Kinder. Wie führen Sie sie an die neue Medienwelt?
Die Kinder führen mich an neue Medien heran! Es beeindruckt mich, was meine elfjährige Tochter damit alles tun kann – viel mehr als ich.