Von Peter Hossli und Marcel Odermatt
Nur Stunden nach dem Attentat in Paris setzte Bundesrätin Doris Leuthard (51) einen denkwürdigen Tweet ab: «Satire ist kein Freipass», lautete der erste Satz der Medienministerin. Der Aufschrei war so gross, dass sich die CVP-Politikerin umgehend rechtfertigen musste: «Achtung, gab teilweise Missverständnis: Bin bestürzt über Anschlag. Pressefreiheit ist Grundrecht! Nichts rechtfertigt Attentat.»
Ganz überraschend kam Leuthards Tweet nicht. Kein Mitglied des Bundesrats will die Medien mehr kontrollieren als sie. Bei Interviews schreibt sie vor, was sie gefragt werden will – und was nicht. Geführte Gespräche lässt sie radikal umschreiben, verändert dabei gemachte Aussagen. Unliebsamen Journalisten erschwert sie den Zugang.
«Ich möchte bissige Medien, welche den Finger auf wunde Punkte legen», beteuerte sie zwar letztes Jahr in einer Rede vor angehenden Journalisten. Wenn der wunde Punkt indes eines ihrer Dossiers betrifft, mag sie keine Bissigkeit. So behauptete sie in der TV-«Arena», auch Lastwagen bräuchten eine Vignette – ein peinlicher Irrtum. Als sie den
Abstimmungskampf verlor, waren die Medien schuld – diese hätten unsachlich berichtet.
Allerdings bleibt die Medienministerin selbst nicht immer sachlich und unvoreingenommen, wie die emotional aufgeladene Islam-Diskussion zeigt. Sie schickte SRF-Talker Roger Schawinski (69) nach dessen umstrittenen Interview mit Satiriker Andreas Thiel (43) ein SMS – und gratulierte ihm zum guten Gespräch.
[…] Auch gilt noch immer nicht in allen Schweizer Kantonen das Öffentlichkeitsprinzip. Und auch auf eidgenössischer Ebene werde das Bundesgesetz über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung «teilweise etwas mangelhaft umgesetzt», wie «Reporter ohne Grenzen» schreibt. Bezeichnenderweise stellt sich ausgerechnet Medienministerin Doris Leuthard im Umgang mit Journalisten wenig begeistert von der Pressefreiheit. […]